[2004-10-16] 
 

Ein Vasenschicksal in langen Sätzen


Die versehentliche Segnung der heiligen Nutte konnte nicht wieder rückgängig gemacht werden, weshalb der Papst sich schämte und seine rote Kappe der nichtwürdigen Nonne schenkte, die diese als Blumenvase auf ihren Nachtschrank stellte, auf dem sonst nur trockene Nüsse lagen, deren Schalen nicht bröckeln wollten und dennoch verdächtig knirschten, denn inwendig wurden sie von kleinen weißen Maden beheimatet, die bekanntlich auch im Dunkeln so fleißig sind wie die Bienen am helllichten Tag.

Die rote Blumenvase verhübschte den Nachtschrank und den Raum und verlieh ihrer Besitzerin einen rötlichen Schimmer über den faltigen Wangen, die manchmal schon so leblos schienen und dennoch immer noch nicht von den Maden beachtet wurden, was vielleicht darauf zurückzuführen war, dass Maden eher drunter als drüber zu leben pflegen und ihr Nachtwerk gerne im Verborgenen ausüben und nicht auf den sichtbaren Zeichen der Veralterung.

Nun heißt eine Blumenvase gemeinhin Blumenvase, weil sie eine Vase für Blumen ist, was genauer bedeutet: ein mit Wasser befüllbares Gefäß für die Geschöpfe aus Gottes Garten, die der Mensch zuvor ermordet, um sie danach scheinbar wiederzubeleben, wahrscheinlich in einer Art himmlischen Größenwahns und der Phantasie einer allmächtigen Gottesgleichheit, was weder dem Menschen an sich noch einer Nonne, sei sie würdig oder nicht, geziemt, welches in der Folge als geistige Erleuchtung auch über die beschenkte nichtwürdige Nonne herab kam, die sodann auf der Stelle niederfiel, um Gnade bat und versprach, in der weiteren und auch in der näheren Zukunft nur noch Trockengestecke aus künstlichem Wuchs in die Vase zu stecken, die sie aus ihrem vertrockneten Haupt- und Schamhaar sowie jenen kratzigen aus der Pferdedecke, mit der sie sich nachts zu bedecken pflegte, zu einem edlen und feinen Gespinst verweben wollte, nicht daran denkend, dass in diesem Gespinst jene Gottesgeschöpfe sich weidlich tummeln würden, die da mit acht Beinen feine Spinnenfäden zur Verdichtung und Verfestigung des Gespinsts hervorbringen, um dort wieder andere Gottesgeschöpfe einzufangen, zu töten und aufzufressen.

Im Folgenden spielten sich in der nichtwürdigen Nonne gedankliche Akrobatenstücke ab, die sie schwindlig machten und ihr kurzfristig den Atem nahmen, denn sie wurde sich bewusst, dass neben diesen Spinnengefahren ein weiteres ungelöstes Problem sich um die Vase rankte: sie mit Trockenfutter bestücken, würde die Vase ihrer Bestimmung berauben, und sie war sich beileibe nicht sicher, ob ihr himmlischer Arbeit-Sinn- und Lebensgeber ihr das erlauben würde, gar nicht daran zu denken, was der Schenker der Vase ihr möglicherweise bei der nächsten Beichte als Strafe verordnen würde.

Ich bin nicht würdig, dachte sie folgerichtig und war insofern mit dem Schenker einer Meinung, was sie aber nicht wusste, denn darüber war beim Schenkungsakt nicht gesprochen worden, wie das ja leider viel zu oft bei Akten geschieht, die meist schriftlich und hinter ordentlich sortierten Deckeln ein trockenes und dunkles Dasein fristen, das wegen ihres staubigen Charakters noch nicht einmal die eingangs erwähnten Maden erfreuen würde.

Egal, wie nichtwürdig und faltenreich eine Nonne nun sein mag, egal auch, welche Seelennöte das Geschenk auf ihrem Nachtschrank hervorgerufen haben, egal weiterhin, dass Nonnen Strafen normalerweise mit Begeisterung hinnehmen, weil sie dann dem Himmel ein Stück näher rücken: eine rote Blumenvase, die in jedem Zustand das Sterben von gottgefälligen Lebewesen fördert, kann nicht zur Zierde eines Nonnen- Nachtschranks oder deren Zimmer dienen, auch nicht, wenn der rote Schimmer den Einsatz einer roten Lampe ersetzt, wie sie verwerflicherweise  in einschlägigen Etablissements des  dunklen Gewerbes zum Einsatz kommt, in dem weniger die weißlichen Maden eine Rolle spielen als anderes weißlich wimmelndes Zeug.  

Die Katasterasten im Kopf der nichtwürdigen Nonne ratterten in einem ungesund flimmernden Tempo, das auch bei Nicht-Medizinern Anlass zur Sorge gibt, denn es könnte sich auf diese Weise ein Zeichen für ein lebensbedrohendes Herzversagen kundtun, was bei der nichtwürdigen Nonne jedoch nicht mit Angst und Schrecken, sondern mit wohlgefälligem Gleichmut, um nicht zu sagen, mit einer stillen Sehnsucht nach der Ruhe und Frieden, einherging, dem Zustand also, den sie zu ihrem alltäglichen Lebensrhythmus hatte machen können, bevor ihr das Geschenk der roten Vase zuteil wurde.

Wegen der schnell rasenden Gedanken in ihrem wirbeligen Kopf war es der nichtwürdigen Nonne nicht ganz gewiss, was sie denn nun denken sollte, und es fiel ihr nur ein, dass der Papst seine Mütze vielleicht wieder brauchen würde, denn er hatte wenig Haare und würde frieren, und ein frierender Papst verliert vielleicht ein bisschen, wenn auch nur ein ganz kleines bisschen, von seiner päpstlichen Würde, die er jedoch braucht, um seinen Gläubigen gegenüber das darzustellen, was er sein sollte: der Stellvertreter.

Ein Stellvertreter ohne rote Mütze ist nur ein halber Stellvertreter, das fasste auch das nichtwürdige Nonnenhirn und schlug sich selbst zur Kasteiung, denn auch eine nichtwürdige Nonne ist nicht auf der Welt um dumm rumzubeten, sondern sich dessen zu bedienen, was der Herr ihr gegeben hat, sei es auch nur in einem klitzekleinen Maße.

Manchmal dauert es etwas länger, manchmal geht es recht schnell, und wenn es um Leben und Tod in der Blumenvase geht, können sich in kleinen Gehirnen manchmal so große Gedanken ausbreiten, dass sogar die Vor- / Ober- / und Überdenker vor Neid erblassen würden, wenn sie es wüssten, was jedoch glücklicherweise selten der Fall ist, sonst würde vieles in dieser und vielleicht auch in jener Welt durcheinander geraten, und wer ist schon daran interessiert, dass das Chaos in allen Welten noch größer wird als es ohnehin schon ist.

Neben dieser Weisheit ist bisher möglicherweise auch noch nicht genügend darauf hingewiesen worden, dass wir es bei der nichtwürdigen Nonne, Falten hin oder her, mit einem Menschen, und zwar einem des weiblichen Geschlechts zu tun haben, auch wenn manche Kritiker dem Verfasser vielleicht zu bedenken geben mögen, dass der Stand der Nonne, ob würdig oder nicht, nicht mehr sehr viel mit dem Stand des Weibseins zu tun habe, was von diesem jedoch umgehend zurückgewiesen wird, denn er weiß es besser, schließlich hat er die Nonne mit der Blumenvase eigenhändig erfunden, was ihn viele Ticks mit der Tastatur und einige Klicks in seinem Gehirn gekostet hat, wobei wir dieses Thema hier und jetzt nicht vertiefen können, denn die Zeit läuft nicht nur dem Leser davon, sondern auch dem Raum.

Wir müssen daher zusammenfassen: wir haben eine heilige Nutte, einen kopflosen Papst,
eine nichtwürdige Nonne und eine rote Blumenvase. Von der ersten wissen wir nicht sehr viel, zugegeben. Sie ist uns gleich zu Anfang abhanden gekommen, und es ist nicht ganz klar, ob sie sich in der einmal kurz erwähnten rötlich schimmernden Dunkelheit verborgen hält, oder ob sie den kopflosen Papst über den Verlust seiner roten Blumenvase hinwegtröstet. Und da es für alles in diesem Leben, und im Jenseitigen erst recht, eine Lösung geben muss, die früher oder später den Sieg erringt, denn der Mensch sehnt sich nach dem Guten und Gerechten, und er kriegt des Nachts Alpträume, wenn sich das Erbarmen so viel Zeit lässt, wie es uns dies tagtäglich hohn- und spottvoll vorführt, fielen der nichtwürdigen Nonne erst ein paar Schuppen von den Augen und dann die Nüsse in den Schoß, worauf sie ihre Falten vergaß und die rote Blumenvase als Laterne an ihr Fenster hing.