[2006-02-23] 
 

Die Schmerzverwandlung


      Sie liegt auf ihrem Schmerz und hält ihn aus. Er lässt sich aushalten. Ein Kuckuck im warmen Nest. Zonenverschoben. Linksgedreht wie Milchsäure. Beißend. Zu bändigen durch Ruhe im Grab.
Jedoch. Ein Schmerz will leben.
      Sie liegt auf ihrer linken Seite. Auf dem Beckenknochen und versucht, sich nicht zu bewegen. Bewegung erzeugt Bahnen. Auf Bahnen schient der Schmerz voran, zippert ein kleines Gestirn in ihr Gehirn. Hineingeschossen mit spitzgetränkten Salven. Kristallines Geflecht. Lichtgeborene Reflexe, die ihren Weg suchen und, an der Schädeldecke endend, zurückballern.  
      Sie wirft ihren Kopf dem Schmerz entgegen. Schließt die Lippen. Ein Schrei schickt sich nicht. Verschlungenes Knäuel. Schlangengewürge.
Ein Schrei ist kein Paket und kein Liebesbrief. Er schickt sich nicht. Er wird geschickt. Wenn auch schlecht verpackt und halb erstickt.
     Sie will ihn nicht annehmen, doch der Bote dreht sich um und geht weiter.
Beförderungsmaßnahme. Der Schrei nimmt Maß in ihrem Mund. Er breitet ihn, bereitet ihn, reitet ihn. Wildes Pferd. Er weitet ihn und macht ihn groß zum klingenden Dom.
     
Sie schreit.
Ihn heraus.
Mit sich.