[2004-06-27] 
 

Lass uns gehen, Marie


Leg deine Stimme in Falten
und ziehe sie auseinander wie eine Harmonika
Ein merkwürdiger Gesang wird ertönen
nicht leicht gebügelt und nicht schwer gepresst
auch nicht kinderähnlich
und nicht klaffend wie eine Wunde
oder hundeähnlich bellend
Nur wie eine Sirene
deren Sinn sich
in die langsame Andacht  des Kirchengebets quetscht

Nein, Marie, spiel nicht dieses Spiel
lass die anderen singen
sie können es so gut
dass sie sich nicht mehr hören müssen

Wenn sie dir weh tun
ist es gut
dann schneiden sie den Sinn auf
in Scheiben und säuberlich einzeln geordnet
Es ist ihnen eine Freude
wenn sie sie ansehen

Schenk ihnen die Portionen
keiner kann sie wieder zusammenflicken
und ehrlich gesagt
will es auch keiner probieren

Lächle, Marie
bevor du zur Mumie wirst
deren Sinne sich fröhlich vereinen
und sich als Apfel in der Sonne röten
Gesund ist
was du gesund nennst
und auch Mumien lassen sich gerne bescheinen

Wenn die Uhren zu rutschen beginnen
und die Herrschaften zu billigen Heerscharen werden
die ihre Blutgier als Mantel um die Schultern drapieren
und darauf warten
dass beim Klingelton der Sieger aufs Treppchen gehoben wird
Wenn die kleinen Wichte
an ihrer künstlichen Oberweite ersticken und die Blähungen
ihrer Sprechorgane zu Gesetzen einer neuen Art machen
Wenn die Zeichen sich zum unsichtbaren Mal zusammensetzen
in deren Behäbigkeit es sich scheinbar so wohl sein lässt
Dann ist es Zeit für dich zu gehen, Marie

Es ist Zeit, Marie.
Nimm meine Hand.
Lass uns gehen.