[2006-10-01] 
 

Der Tanz


Die Tänzerin hatte ihre Tage. Man sah es, wenn sie beim Hüftschwung kokett ihr Röckchen hob. Hatte sie ihr Tampon vergessen, oder war es übergelaufen?
Ich konnte dem Tanz nicht mehr folgen. Ich wartete nur noch darauf, dass sie ihr Röckchen hob und ich den roten Fleck sehen konnte.
Wurde er größer? Ich war mir nicht sicher. Aber ich wünschte es mir.
Sie sollte bluten. Für mich. Ich wollte diesen Fleck wachsen sehen. Flächenhaft. Tropfend.
Die Tropfen würden sie am Tanzen hindern. Das fließende Blut würde ihre Beine verkleben. Sie würde es zu verbergen suchen. Ihre Bewegungen würden eckiger werden, einen verschämten Charakter annehmen und einen verhuschten Eindruck bekommen, der bei ihrem Partner vehemente Beklemmungen auslösen und ihn daran hindern würde, sie weiterhin zu einem offenen Schritt bewegen zu wollen. Er würde seinen Griff lockern und an ihrer Naht herunter gleiten, im Herabstreifen eine Geste der Verzweiflung entwerfen, die ihr sagen sollte, doch Haltung und Form und Gestalt nicht außer Acht zu lassen und alle diese wieder anzunehmen, denn das sei so gewollt und geübt. Er würde einen Feuerschweif aus seinen  Augen entlassen und ihm eine hündische Ergebenheit hinterher schicken, um seine Tänzerin in Zügel und Stangen zurückzubefehlen.
Sie würde nichts bemerken, denn ihr Geheimnis war ihr nicht bewusst, und sie würde  störrisch mit ihren Hufen stampfen.
    Ich war fasziniert und begeistert. Sie hatte jenen tänzelnden Schritt angenommen, der nur bei ganz jungen Mädchen unabsichtlich ist, bei älteren jedoch aus Erinnerung besteht und sich gegen die Galgen der Gegenwart aufbäumt. Ein Rausch. Ein gewollter Rausch aus Wünschen und klebrigen Gedanken. Sie hob ihr Röckchen erneut. Sie wollte erneuern, was sie verloren hatte.
   Ich sah es. Und lächelte. Sie würde bluten. Sie würde für mich bluten. Bald würde sie es wissen.