[2006-08-07] 
 

Ein Ende in fünf Sätzen, dreimal


Ein Ende in fünf Sätzen, erste Fassung


Tief und innig atmete sie den fauligen Blumenduft ein.

Dann brachte sie den Vogel, den sie wochenlang aufgepäppelt hatte,
zur Autobahn.

Den dritten Satz löschten ihre Tränen aus.

Danach wusch sie ihr Gesicht und die Hände und schloss die Fensterläden.

Im Dunkel konnte sie niemand mehr sehen.







Ein Ende in fünf Sätzen, Kommentarfassung

Tief und innig atmete sie den fauligen Blumenduft ein.
  Anm.: Niemand atmet „tief und innig“ einen „fauligen Blumenduft“ ein. Man stelle sich vor: ‚fauliger Duft! Da wird es einem höchstens schlecht.
Dann brachte sie den Vogel, den sie wochenlang aufgepäppelt hatte, zur Autobahn.
  Anm.: Wo kommt der Vogel her? Was hat sie mit ihm gemacht, und wieso bringt sie ihn zur Autobahn? Die Verknappung der Aussage führt zur abstrusen Sinnlosigkeit.
Den dritten Satz löschten ihre Tränen aus.
  Anm.: Noch nie haben Tränen Sätze löschen können. Es sei denn, sie sind mit Tinte geschrieben, aber damit schreibt ja heute kein Mensch mehr.
Danach wusch sie ihr Gesicht und die Hände und schloss die Fensterläden.
  Anm.: Das ist eine nachvollziehbare Handlung und wird daher begrüßt.
Im Dunkel konnte sie niemand mehr sehen.
  Anm.: Was denn nun? Konnte sie niemanden mehr sehen, oder konnte niemand mehr SIE sehen? Ein wenig mehr Präzision, bitte.






Ein Ende in fünf Sätzen, letzte Fassung

Tief und innig atmete sie den fauligen Blumenduft ein.
Dann brachte sie den Vogel, den sie wochenlang aufgepäppelt hatte, zur Autobahn.
Den dritten Satz löschten ihre Tränen aus.
Danach wusch sie ihr Gesicht und die Hände und schloss die Fensterläden.
Im Dunkel konnte sie niemand mehr sehen.


(Den Kommentator habe ich an der Autobahn erschossen, nachdem ich seinen fauligen Atem gerochen hatte und mich erst waschen musste, bevor sie mich ins dunkle Gefängnis warfen. Der dritte Satz geht niemand was an.)