[2006-02-08] 
 

Milano sechs zu eins


Die Autotür stand weit offen. Ein müffliger Geruch kam aus dem Inneren.
Verrottete Polster riechen so, oder auch kackbraune Gardinen.
Milano sechs zu eins, schrie sie. Das Dröhnen in ihrem Kopf war ihr einziges Echo. Vielleicht weil sie gar nicht richtig schrie. Sie lag auf dem Rücksitz und blutete aus sieben Wundmalen einen roten Teppich, der sich malerisch über ihr ausbreitete. Er tropfte ein wenig, versickerte dann in den Sitzen, deren Muster sich jedoch nicht rot, sondern dunkel färbte. Ein See hätte er werden können, der Teppich, hätte sie damals nicht so energisch auf Stoffbezügen bestanden. Ein roter See auf schwarzem Leder, in dem sie nun liegend baden könnte. Aber so weit hatte sie damals nicht gedacht, so wie sie immer zu schnell gedacht und dann zu spät gekommen war.
Auch dass die Stoffsitze weich und nicht kalt waren, konnte nun kein Argument mehr sein. Ihr Blut war warm, und ob sie auf weichem oder ledernem Untergrund geledert starb, machte allenfalls einen marginalen Unterschied.
Allerdings müssen wir zugestehen, dass beim Kauf eines Autos eher selten darüber nachgedacht wird, wie es sich einst auf dem Rücksitz sterben wird. Eins zu Null also für die Dahinscheidende. Es sei ihr gegönnt. Sie hat ja nicht mehr viel vom Leben.  
Der Wind schaukelte sich in das Auto und fächelte kühl.  Was sonst kann ein Wind in einer solchen Situation machen? Er tut, was er muss und stellt keine Fragen. Dass sie unter ihrem roten Teppich fröstelte, musste ihn nicht interessieren. Er musste wehen. Das war seine Aufgabe.
Drinnen wurde das Dröhnen lauter und tiefer. Es schwoll an und wollte ihr den Kopf zersprengen. Tor, Tor, Tor formte sich als Schrei heraus. So ließ der Druck etwas nach. Milano, lächelte sie. Es war gut, dass kein Spiegel in der Nähe war. Sie hätte ihr Lächeln unter dem roten Teppich nicht mehr wieder gefunden.  
Ein Rascheln schob sich vor die offene Tür. Wie knisterndes Papier oder wie das Klicken einer Uhr. Kein Sieg für Milano, schrie eine wütende Stimme. Doch, gurgelte sie und versuchte, den Kopf zu drehen, aber die Bewegung gelang ihr nicht. Schwach verdämmernd spürte sie noch, dass sie recht gehabt hatte. Ein Tor noch und das Spiel wäre aus.