[2005-10-31] 
 

Ein Szenario


Sie sind eine dreckige Perlmuttsau, schrie der Bäcker und warf das Brötchen, das er gerade für einen Kunden in eine Tüte stecken wollte, ganz unvermittelt auf den Rollstuhlfahrer, der daraufhin vor Schreck auf den Antriebsknopf seines fahrbaren Untersatzes drückte, was sich auswirkte wie ein tiefer Fußtritt auf das Gaspedal eines Rennwagens, denn wenn der Finger sich in den Knopf bohrt, ist das an wie ein Befehl des Oberfeldwebels bei der Bundeswehr oder sonst einer wehrhaften Einrichtung eines beliebigen Staates dieser Welt, und einen solchen darf niemand ignorieren, auch nicht, wenn es sich in Wahrheit um einen Rollstuhl handelt und nicht etwa um den Ferrari von Michael Schumacher in seinen besseren Zeiten, womit allerdings kein Zusammenhang hergestellt werden soll zwischen einem Renn- und einem Rollstuhlfahrer, weil so etwas ja wirklich nur peinlich wäre, und eigentlich wollte der Rollstuhlfahrer ja auch nur aus der Wurfweite des Bäckers verschwinden, während  ein Schumacher einfach so um die Ecke rast und niemandem dafür eine Rechenschaft schuldig ist, was ich nicht richtig verstehen kann, aber mich fragt ja auch keiner und deshalb halte ich lieber den Mund und wundere mich, wieso ein Bäcker einen armen Rollstuhlfahrer als Perlmuttsau tituliert, ein Ausdruck, der nicht im Lexikon steht und mit dem ich trotz blühender Phantasie nichts anfangen kann, es sei denn, der  Bäcker meinte vielleicht was ganz Anderes, wagte es aber nicht auszusprechen und warf daher aus Wut über seine eigene verklemmte Feigheit mit dem Brötchen, wohl wissend, dass damit niemand zu Tode käme, auch wenn er es sich wünschte und sich für eine Nanosekunde vorstellte, wie das handgearbeitete Wurfgeschoss in seiner Hand zu einer handlichen Handgranate mutierte und sein Ziel mit einer weithin hörbaren und farbenprächtigen Detonation in die Luft und ins Jenseits beförderte, was jedoch und wiederum möglicherweise der falsche Weg wäre, denn wer solches tut, landet im Gefängnis oder einer ähnlichen Anstalt, wo Böses und Krankes sich vereinen, um zu einer neuen Gesundung heranzukrepieren.

Der Bäcker jedenfalls wusste nicht genau, was er tat. Der Rollstuhlfahrer freute sich über den ungewohnten und ungeahnten speed. Der Kunde, der auf ein Brötchen in seiner Tüte gehofft hatte, guckte fischmäulig. Michael Schumacher hatte keine Ahnung von alledem. Und die Perlmuttsau liegt, sich suhlend, draußen im Dreck und freut sich ihres Lebens.